Briefspiel:Brot und Beute (4)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab Frühling 1033 BF Schauplatz: Urbasi und das nähere Silbertal Entstehungszeitraum: Sommer 2012 bis Ende 2014
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Haus dell'Arbiato.png Dellarbiato, Haus di Onerdi.png Di Onerdi, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Familie Zorgazo.png Toshy
Zyklus: Übersicht · Urbasische Mühlenkrise · Das Fest der eingebrachten Früchte · Ein Besucher aus Sikramara · Alte Schulden · Schwarze Tage · Sturm über Sikramara · Die Rache der Frauen

Alte Schulden

Die Dunkelheit hatte Urbasi bereits fest im Griff, als man am Tor des Palazzo Zorgazo das erwartete Geräusch hörte. Beschlagene Hufe, geschmiedetes Eisen und Holz auf den Pflastersteinen der Piazza del Grano. Pferde, die schnaufend eine Kutsche zogen, schälten sich aus der Dunkelheit des Kornmarktes. Schwach beleuchtet von den Laternen der Nachtwache schimmerten die Tiere majestätisch wie aus einer anderen Sphäre.
Die in die Farben der Zorgazo gehüllten Wachen am Tor des Palazzo öffneten bereitwillig das gusseiserne Tor und ließen die Gäste passieren. Sie hatten entsprechende Anweisungen bereits früh am Tag erhalten. Die Kutsche bog den charakteristischen L förmigen Eingang unter dem wuchtigen Hauptturm hindurch in den Innenhof des Palazzo Zorgazo und der Kutscher brachte seine Tiere unter Protest zum Stehen. Es hatte leicht zu regnen begonnen und die Luft hatte sich abgekühlt. Von den feuchten Rücken der Rösser kräuselte sich der Dunst einer eiligen Reise und ihr heißer Atem bildete kleine Wölkchen.

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Hände legten sich geübt an das Geschirr und lösten das gegerbte Leder von den edlen Pferden. Die halbwüchsigen Stallburschen beherrschten ihr Handwerk. Die Gäste würden über Nacht bleiben. Ein junger Herold in grün, schwarz, goldene Gewänder gehüllt und nach Rosenduft riechend, öffnete die Kutschentür und bat die Reisenden auszusteigen. Auf der Treppe zum Geschlechterturm des Palazzo hatten sich bereits der Verwalter Tremante Morales und der oberste Secretario der Zorgazo, Silem Jalta Voldecci sowie eine Handvoll der Dienerschaft versammelt, um die Gäste zu begrüßen. Auf der Kutsche war deutlich das goldene Wappen mit dem geflügelten roten Herzen zu erkennen. Die Gesandten der di Onerdi stiegen nacheinander aus der Kutsche und begrüßten ihre Gastgeber. Ein älterer, recht beleibter Mann machte den Anfang, gefolgt von einem hageren Mann mit grauem Haar, beide gehüllt in Gewänder der Familienfarben der di Onerdi. Zuletzt einer Frau, deren Kleidung von blau und weiß dominiert wurde.

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„Den Zwölfen zum Gruße. Willkommen in Urbasi.“ Der greise Verwalter Tremante Morlas breitete die Arme zum Gruße aus und empfing die Gäste des Hauses auf den obersten Treppenstufen und wies ihnen den Weg in den Palazzo. „Bitte tretet ein, immer herein. Die Signora Duridanya wartet bereits.“

Den drei Gesandten aus dem Haus di Onerdi wurde der Weg gewiesen. Vor einer verzierten Tür im zweiten Obergeschoss hielt die Gruppe inne. Silem Jalta Voldecci, der oberste Secretario, war ihnen vorweg gegangen, öffnete nun die Tür und kündigte die Gäste an. Duridanya Zorgazo hatte sich für ein schlichtes, aber dennoch elegantes, weißes Kleid entschieden, dessen Goldspitzen Ährenembleme darstellten. Mit einem höflichen Lächeln hieß sie ihre Gäste willkommen. Meistens pflegte das stellvertretende Oberhaupt der Familie Zorgazo ihre geschäftlichen Belange in ihrem Arbeitszimmer zu erledigen und Geschäftspartner dort zu empfangen. Doch dieses Geschäft stellte etwas besonderes für sie dar und so ließ Duridanya die Abgesandten in den Empfangsraum bringen.

"Auch von mir ein den Göttern zum Gruße", begann die junge Zorgazo das Schweigen zu durchbrechen, während die Dienerschaft kleine Kuchen, Törtchen und Pralinen servierte und den Abgesandten Wein anbot. "Wir haben eine Auflistung der benötigten Waren dabei", begann der etwas dickliche, ältere Mann mit halbvollem Mund zu antworten und kramte hastig ein Schriftstück hervor. Duridanya nickte kühl ihrem Secretario zu und mit flicken Fingern angelte sich dieser, höflich verbeugend, das Papier aus den Fingern des Dicken.
"Das können wir beruhigt meinem Secretario überlassen", lächelte Duridanya beruhigend ihren Gästen zu. "Wir werden uns um alles Weitere kümmern. Euren Arbeitern wird es an nichts fehlen und Dank der exquisiten Verpflegung durch unsere Backmeister werden sie die Residenz des Barons mit Sicherheit schneller fertig stellen als ihr zu träumen wagt."

Die junge Patrizierin wedelte mit den Händen und die Dienerschaft war so plötzlich aus den Räumlichkeiten verschwunden, wie sie gekommen waren. "Bevor die Herrschaften nun die Gastfreundschaft meines Heims in vollen Zügen genießen, wüßte ich noch gerne, ob der von mir, zugegebenerweise etwas ungewöhnliche Preis der Bezahlung akzeptiert wurde?" Duridanya sah ihre drei Gäste nacheinander eindringlich an. Die beiden Männer wandte sich der Frau zu und nickten. Diese zog aus ihrem Gewand sechs sorgsam gefaltete und geschnürte bögen Papier hervor. "Die von Euch als Bezahlung geforderten Dokumente", sagte die Frau nickend und reichte sie Duridanya.

Die junge Patrizierin fackelte nicht lange, schob den dicken Faden beiseite, der die Dokumente verband und faltete sie auf. Ein Lächel huschte über ihre Lippen. "Meine Herrschaften es war mir eine Freude mit Euch Geschäfte zu machen. Richtet dem Baron meine Ehrerbietung aus." Sie klatschte dreimal in die Hände und schon öffneten sich die Türen des Raumes wieder und ehe sich die Gäste versahen, wurden sie bereits wieder von einer Dienerschaft umschwirrt die Wein und Gebäck nachreichte. Duridanya jedoch verließ hastig das Treiben, indem sie sich von den Gesandten verabschiedete und gleichzeitig ihren Cousin Debero vorstellte. Den neuen Stolz des Hauses. Hatte er doch kürzlich erst seinen ersten Waffengang hinter sich gebracht.

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Eronia Zorgazo hatte das Eintreffen der Gäste im Palazzo verpasst. Sie war in ihren Gemächern in die Studie von Rechtsschriften vertieft gewesen und hatte die Kutsche nicht eintreffen hören. Sie nahm den ihr anvertrauten Posten als Censora von Torneocampo sehr ernst und vertiefte sich gern in Rechtsschriften. In dieser Hinsicht glich sie ihrer Mutter. Da Eronias Balkon und die Fenster nicht zum Hof gingen, war es eine der Mägde, die an ihre Tür klopfte und die junge Zorgazo auf den Besuch hinwies. Kaum hatte sie sich aufgemacht von dem Geschlechterturm herab zu steigen um die Gäste zu begrüßen, da traf sie auf der Treppe den Secretario Silem Jalta Voldecci, der ein Kästchen bei sich trug und in den Hof hinaus eilte.

"Irgendwann wird mir meine Neugier zum Verhängnis", flüsterte die junge Patrizerin zu sich selbst und folgte schelmisch grinsend dem Secretario in den Hof. Auf der Treppe hielt sie inne und beobachtete neugierig die vier Reiter in ihren tiefen dunklen Mänteln, mit den hochgestellten Kragen gegen den Wind und den dreieckigen Hüten gegen den nieselnden Regen. "Bitte, Herrin", sagte der Secretario zu dem ersten der Männer und überreichte ihm die Schatulle, die dieser in seiner Satteltasche verschwinden ließ. 'Herrin?' zuckte es Eronia durch den Kopf. "Duridanya?" Eronias Frage hätte auch gleich eine Feststellung sein können, denn sie erkannte das blonde Haar ihrer Cousine zum Zopf geflochten im Nacken des Reiters.

Duridanya zog mit ihrem Lederhandschuh den hochgestellten Wetterkragen ihres Ledermantels aus dem Gesicht und herrschte Eronia an: "Geh wieder ins Haus".
"Wo im Namen der Zwölf willst du hin?" fragte Eronia erstaunt und kam stattdessen noch zwei weitere Stufen die Treppe herunter. Ihre Cousine, in eine Hose gekleidet wie einen gewöhnlichen Botenreiter zu sehen, erschütterte sie zutiefst. "Nach Süden", antwortete Duridanya knapp. "Ein paar alte Schulden begleichen". Sie grinste, schob sich den Kragen wieder hoch und wendete das Pferd. Einer ihrer Begleiter hielt eine Armbrust in Händen. An den Pferden blitzen die Knäufe von Schwertern in Sattelscheiden auf.
Dann erschallte wieder das Geräusch beschlagener Hofe auf den Pflastern, das schnell verschwand.

"Mitten in der Nacht?" fragte Eronia mehr sich selbst, da niemand mehr da war, der ihr die Frage hätte beantworten können. "Und was für alte Schulden?"