Briefspiel:Brot und Beute (3)

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Stadt Urbasi klein.png Briefspiel in Urbasi Stadt Urbasi klein.png
Datiert auf: ab Frühling 1033 BF Schauplatz: Urbasi und das nähere Silbertal Entstehungszeitraum: Sommer 2012 bis Ende 2014
Protagonisten: siehe Übersichtsseite Autoren/Beteiligte: Haus dell'Arbiato.png Dellarbiato, Haus di Onerdi.png Di Onerdi, Haus Urbet-Marvinko.png Gonfaloniere, Familie Zorgazo.png Toshy
Zyklus: Übersicht · Urbasische Mühlenkrise · Das Fest der eingebrachten Früchte · Ein Besucher aus Sikramara · Alte Schulden · Schwarze Tage · Sturm über Sikramara · Die Rache der Frauen

Ein Besucher aus Sikramara

Die Praiosscheibe tauchte grade in die dahin fließenden Wasser des Sikram und erhellte die Fluten blutrot, als sich vor fünf Reitern die Türme Urbasis auftürmten. Sie ritten die Mauer entlang und näherten sich der Stadt von Westen, auf das Cassiener Tor zu. Nur leicht gerüstet aber mit Schwertern bewaffnet, wehten ihre Wimpel im Wind, als Sie das Tor passierten. Die Hufe der Pferde klackerten laut auf den Pflastersteinen der Piazza del Grano.
Die Reiter zügelten ihre Rösser und verlangsamten das Tempo, ritten aber gleich unbeirrt auf das große Tor von dem Turm zu, der den Platz beherrschte. Zwei Wachen in den grün-goldenen Gewändern mit dem Wappen der Familie Zorgazo versperrten den Weg.
"Danilo Oliviano", stellte sich der vorderste Reiter knapp vor und beugte sich zu den Wachposten herunter. "Die Herrin Duridanya erwartet mich bereits."
Mit einem Nicken ging der kleinere der Wachposten in den Innenhof des Palazzo Zorgazo und kam kurz darauf mit einem hageren, älteren Herrn zurück, der die Reiter höflich bat ihm zu folgen.


Vier der Reiter blieben bei ihren Pferden im Innenhof des Palazzo während ihr Anführer Danilo Oliviano dem Secretario in die Empfangsräume des Palazzo folgte. Der Raum in dem die Patriarchen der Zorgazo seit Generationen ihre Geschäftspartner empfangen, bot sich seinem Besucher als geschmackvoll eingerichtet dar. Hölzerne Wandvertäfelungen, die durch das eindringende Licht der untergehenden Praiosscheibe, durch die großen Fenster in ein warmes Orange getaucht wurden. Ein paar Gemälde, die überwiegend einfache Leute bei der Landarbeit zeigten, waren ungewöhnlich für ein Adelsgeschlecht, aber unterstrichen die Bescheidenheit mit der sich die Zorgazo seit Jahrzehnten umgaben. Die gepolsterten Sessel mit Armlehnen waren in den Wappenfarben Grün und Gold bestickt, genauso wie der große Wandteppich direkt neben der Tür. Der Kamin war ungewöhnlich bescheiden gehalten und diente wohl tatsächlich nur als funktionelle Wärmequelle, wenn er denn beheizt würde.
Auf dem Sims befand sich kaum handgroß eine goldene Ähre ins Mauerwerk eingelassen, die jeden Besucher daran erinnerte in wessen Haus er sich befand.


Danilo Oliviano war in Gedanken versunken, als das Knarren des Holzfußbodens ihn darauf aufmerksam machte, dass sich noch Jjmand im Raum befand. Er wendete den Kopf und erhob sich grüßend aus dem Sessel. Die junge Duridanya Zorgazo hatte ihn unhöflich lange warten lassen. Was angesichts der seit Generationen andauernden Handels- und Familienfehde nicht sonderlich verwunderte. Sie nickte höflich mit ihrem Verhandlungslächeln und kam näher.
"Hallo Duridanya, es ist lange her!", begrüßte der um wenige Götterläufe jüngere Danilo seine Gastgeberin.
"Für mich kann es nie lange genug her sein einen Oliviano in diesem Haus zu erblicken", antwortete Duridanya mit spitzer Zunge und setzte sich in den Sessel gegenüber ihres Gastes.
"Was führt dich her?", fragte sie schroff und doch mit einer gewissen Vertrautheit. Denn es war noch gar nicht so lange her, dass die alte Familienpatriarchin der Zorgazo, Varosja, die Familienfehden zwischen den Häusern damit beenden wollte, dass sie Danilo und Duridanya vermählte. Ein Plan der fallen gelassen wurde als sich herausstellte, dass einer der Hausdiener der Olivianos die Verlobungsfeierlichkeiten dazu ausnutzte, in deren Namen das goldene Diadem Varosja Zorgazos aus dem Palazzo zu entwenden. Der Dieb wurde zwar gefasst und gestand, dass Diadem ist seit jenem Tag jedoch verschollen.
"Nun ich denke das weißt du sehr gut meine liebe Duridanya", erwiderte der junge, schneidige Spross der Oliviano. "Unser hübsches kleines Feuer dürftest selbst du durch das Fenster deines Schlafgemachs gesehen haben!" Er blickte Duridanya zornig an, was sie mit gelangweilter Arroganz abtat. Mit einem Griff in seinen Lederwams zog er einige gefaltete Papierbögen hervor und warf sie auf den kleinen Tisch der sie beide trennte.
Duridanya blickte nur kurz auf die Schreiben. Sie kannte den Inhalt, hatte sie diesen doch selbst verfasst. "Du drohst mir? Du wagst es meine Familie offiziell an ihre Aufgabe zu erinnern, dass wir die Mühle von Sikramara reparieren sollen? Und das nicht genug, du nimmst dir auch noch heraus, uns im Namen der Kornzunft Urbasis dafür zu schelten, dass die Reparaturen nicht schnell genug voran kommen? Ein Umstand der dich nicht wundern sollte, denn scheinbar sorgst du selbst dafür das es dabei bleibt. Bei jedem Unglück, jeder Katastrophe, jedem Schicksalsschlag wird dein Name geflüstert. Du bestiehlst unsere Familie, du bestiehlst meinen Vater, du bestiehlst mich und du bestiehlst meine Männer. Ich will, dass das sofort aufhört!" Danilo blickte seine Gastgeberin wütend an. Duridanya faltete gelassen ihre Hände, setzte ein mitleidig freundliches Lächeln auf und legte ihren Kopf ein wenig zur Seite, musterte den jungen Spross der Oliviano und erwiderte in einer ruhigen Stimmlage ihre Sicht der Dinge. "Was kann ich dafür, dass dein Vater dem Wein und dem Glücksspiel verfallen ist? Ich hörte bis Urbasi davon, dass er euer Hab und Gut Nacht für Nacht im Keller der Schenke verspielt. Er soll bereits beträchtliche Summen verloren haben. Was trage ich daran für eine Schuld?" Sie hob fragend die Hände und die Schultern. "Von der Sache mit dem Diebstahl der Lohnkasse habe ich ebenfalls gehört. War es aber nicht einer von euren eigenen Männern der seinen beiden Begleiter im Schlaf die Kehle durchschnitt und sich mit den Löhnen eurer Arbeiter davon stahl? Dass es durch finanzielle Engpässe eurerseits zum Streik der Arbeiter bei der Mühle kommt, willst du mir also auch anlasten? Frag deinen Vater, wenn du dein Vermögen suchst. Und was dein Feuer betrifft, so sind noch keine Neuigkeiten an mein Ohr gedrungen außer der, dass fast eure gesamte Olivenölernte brennend den Sikram hinunter getrieben sein soll. Ich bin jedenfalls nicht nach Sikramara geritten und habe eure Fässer mit meinen Kerzen entzündet, falls du mir das auch anlasten willst?" Ihre Stimme erhob sich kurz in eine Tonlage der Empörung.
Danilo Oliviano rang nach Atem. "Du weißt also nichts über eine Bande von Trickbetrügern und Falschspielern, die meinen Vater Nacht für Nacht ein Vermögen aus den Taschen ziehen? Und es sind auch keine von deinen Leuten, die mehrfach die Reparaturarbeiten an der Mühle sabotiert haben und dazu aufriefen die Arbeit niederzulegen, bis sie wieder bezahlt werden? Du hast keinen Meuchelmörder beauftragt meine Männer zu bestehlen? Und der einzige Überlebende, der nur mit leichten Verbrennungen kurz nach dem Ausbrechen des Brandes aus den Räumlichkeiten des Medicus verschwand, ist kein von dir bezahlter Brandstifter? Wir sind seiner Spur bis nach Urbasi gefolgt!" Danilos Stimme überschlug sich beim Reden und er ballte mehrfach wütend die Faust, während sein Gegenüber gelassen auf ihrem Sessel saß und die Hände auf ihrem Knie ruhen ließ. "Wüsste ich nicht das eure Familie die Göttin der Ernte anbetet, so könnte ich schwören du bist zu dem Herrn Phex übergetreten" Seine Stimmlage beruhigte sich und er fuhr sich zum wiederholten Mal durchs Haar.
"Was genau kann ich eigentlich für dich tun? Willst du dir Geld von uns leihen um deinen Ruin ab zu wenden?", fragte sie mit sanfter Stimme und Danilo erhob sich ruckartig aus seinem Sessel. Ungestüm fuhr er herum und wedelte mit seinem erhobenem Finger. "Es wird keinen Ruin der Familie Oliviano geben, wenn du darauf spekulierst. Nicht solange ich noch aufrecht stehe. Du musst schon einen deiner Meuchler schicken. Und deine Almosen gib den Armen, die dir deinen Unfug von einer Wohltäterin abnehmen. Ich kenne dich viel zu gut. Und wehe ich erwische dich bei einer deiner Machenschaften."


Mit diesen Worten donnerte Danilo die Tür hinter sich zu und die Schritte seiner schweren Reiterstiefel halten die Treppe hinunter. Duridanya verblieb noch eine Weile in dem Sessel, dann musste sie unweigerlich schmunzeln und erhob sich. Mit ein paar Schritten war sie in ihrem Arbeitszimmer nebenan. Sie stand am Fenster und beobachtete die Reiter, wie sie im letzten Licht des Tages in die Gassen der Stadt eintauchten. Mit einem kräftigen Ruck löste sie die hölzerne Fenstersimsplatte und griff mit ihren schlanken Fingern in einen Hohlraum und zog eine verstaubte, flache Holzschatulle hervor. Sie griff sich an den Hals und zog eine Kette hervor an deren Ende ein paar kleine Schlüssel baumelten. Der kleinste passte in das Schloss der Schatulle. Sie schob den Deckel zurück und schmunzelte das mit Edelsteinen besetzte, silberne Diadem ihrer Tante an. Sie hatte Jahre nicht mehr daran denken müssen und streichelte sanft das Wappen der Zorgazo, das sich darauf befand.
"Niemand bestimmt wen ich zu heiraten habe", sagte sie leise zu dem Schmuckstück. Dann lächelte sie, verschloss die Schatulle und verstaute sie wieder in dem Hohlraum.
"Du warst einer meiner besten Einfälle", sagte sie der Schatulle hinterher, ehe sie ihr Geheimversteck wieder verschloss.