Archiv:Shafirs Schwur unter dem Adlerbanner (BB 11)

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Auge-grau.png Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 11, Seiten 47ff.
Aventurisches Datum: 1020 BF



Shafirs Schwur unter dem Adlerbanner


Diese Kurzgeschichte handelt (nicht immer) ganz ernsthaft von der Fortsetzung zu "Shafirs Schwur". Wie geht es weiter? Was ist mit Aldare? Wohin geht Comto Ravendoza? Und überhaupt, was ist mit dem Prinzgemahl? Zu all diesen Fragen gibt es hier - und nur hier - die Antworten. So könnte es gewesen sein. Vorhang auf...

PRAios’ Scheibe steigt langsam die Goldfelsen empor. Ein neuer Tag bricht an in der Kaisermetropole. Handwerker und Bauern beziehen ihre Stände auf den zahlreichen Märkten, hier und da kräht ein bosparanisches Brathühnchen, die Güldenland-Uhr schlägt fünfmal. In der Oberstadt beginnt das Leben.
In Alt-Bosparan begibt man sich jetzt erst in BORons Arme, so dass man kaum Notiz von der prachtvollen Karavelle nimmt, die den kleinen Hafen der Kaiserstadt anläuft und an ihren Kaimauern festmacht. Von blauem Tuch sind die Segel. Die großen Rahsegel schmückt die goldene Sonnenscheibe der Kaiser Bosparans, auf dem Fockmast flattert das grüne Adlerbanner des Reiches. Darunter das Drachenbanner: Der rote Drache auf Silber, geviert zum goldenen Adler auf Grün. Das Wappen der Cron-Prinzessin. Noch ehe Aldare Firdayon von Vinsalt und Aldyra den Palast erreicht hat, verbreitet sich schon die Nachricht von ihrer Rückkehr in den Zimmern und Gemächern des Schlosses. So auch in das Gemach der Kaiserin:
"Euer Kaiserliche Majestät, Eure Tochter betritt soeben die Stadt!" Helan Sal von Firdayon-Schelf tritt vor die Leibzofe der Kaiserin. Die Kaiserin blickt etwas glasig in den großen Spiegel, wo sie etwas mißmutig ihr Ebenbild betrachtet: "Woher kam Unsere Tochter noch gleich?"
"Aber Kaiserliche Majestät wissen doch: Der alljährliche Besuch bei Shafir. Der Aarenstein sollte ihm dieses Jahr zusammen mit einigen anderen magischen Artefakten von unbestimmbarer Kraft überbracht werden!"
Die Kaiserin blickt versteinert in den Spiegel. "...ach ja...", murmelt sie, "....Aarenstein...?" Die Horas wendet keinen Augenblick ihre Augen vom Spiegel. Ihre Leibzofe hat eben damit begonnen das dunkelbraune Haar durchzukämmen. "Aarenstein? Sagt Helan, was ist mit dem kaiserlichen Großsiegel geschehen?"
"Aber Majestät, Ihr wißt doch..." Gestrenge Unwissenheit liegt nun im Blick der Kaiserin. "Das Siegel...äh...der Aarenstein...ja, also..." Der Horas-Secretario macht eine Verbeugung. "Ich will Euch nicht länger beim Ankleiden stören, Gebieterin, und die Cron-Prinzessin empfangen..."
"HELAN!" Die Stimme der Kaiserin duldet keinen Widerspruch.

***

Die Prunkkarosse erreicht den Palasthof, mehrere Pagen eilen flink herbei und Marchese Migaêle ya Vardeen, wie der alte Zeremonienmeister sich heute nennt, öffnet persönlich den Verschlag. Wie so häufig in die grünen Gewänder der Hesindekirche gehüllt, läßt sich die Cron-Prinzessin vom Obersthofsecretario ya Vardeen aus der Kutsche helfen. "Wir freuen uns, dass Ihre kaiserliche Majestät wohlbehalten wieder im Palast weilt."
"Habt Dank, Mikail, ach, ich meine doch Migaêle. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen. Doch sagt, ist die Kaiserin schon aufgestanden?"
"Ja, Euer Hoheit. Und sie ist schon sehr begierig Euch zu empfangen. Den Comto-Siegelbewahrer hat sie auch schon herbeirufen lassen."
"Ravendoza? Er ist hier?"
"Er kam schon gestern hier an."
"Dann weiß die Kaiserin schon alles?"
"Nein, nein. Der Horas war gestern etwas unpäßlich und außer ihrer Leibmedica und ihrer Zofe hat sie niemanden empfangen."
Die Cron-Prinzessin verharrte auf der großen Treppe zum Palastportal, sie wirkt besorgt: "Wieder das Herz?"
"BORon behüte! Nein! Dieses Problem scheinen die Damen und Herren vom Anatomischen Institut völlig kuriert zu haben."
Der Obersthofsecretario führt Aldare in die gewaltige Eingangshalle des Vinsalter Stadtschlosses. "Ihre kaiserliche Majestät fühlte sich einfach ‘unwohl’ hieß es."
"Sie mutet sich schlicht zuviel zu in ihrem Alter, wenn Ihr mich fragt, Mik...gaêle! Ganz gleich, was Comto Harsen auch immer sagt. Seine Methoden waren mir immer schon zu... ‘elfisch’! Wo erwartet mich die Kaiserin?"
"Im Adlerkabinett, Euer Hoheit!"
"Oh, so offiziell...?!"

***

Aldare von Aldyra betritt die große Empfangshalle. Einzig ein goldener, verzierter Tisch mit einem hohen Lehnstuhl und eine große Truhe stehen in dem Raum. Vor dem Stuhl steht ein älterer Herr mit weißem Haar.
"HESinde mit Euch, Comto Helan."
"Kaiserliche Hoheit. Die Kaiserin erwartet Euch." Der Horas-Secretario zeigt auf die Doppeltür mit dem vergoldeten Adler. Helan packt wieder einige Gegenstände in die Truhe.
"Comto, Ihr packt?" Provozierend scharf klingt die Stimme der Cron-Prinzessin.
"So ist es Kaiserliche Hoheit, Ihr seid mich los."
"Aber, aber Comto Helan. Ich habe Euch zwar in der Tat nie leiden können, was aber weniger an Eurer Persönlichkeit, als an Eurem ‘Hobby’ liegt, Comto. Oder sollte ich besser Erzcomtur sagen?"
Helan von Firdayon-Schelf winkt ab. "Kaiserliche Hoheit, ich bin alt, zu alt, um mich Eurem Spott zu stellen. Ich werde mich mit meiner Pension auf mein Landgut bei Kuslik zurückziehen und nicht nach Neetha reisen. Sollte mich aber Euer Bruder rufen, werde ich kommen!"
"Gehabt Euch wohl dann, Comto." Aldare wendet sich der Tür zu, die sofort von zwei Horasgardisten geöffnet wird.
"Spitzel", zischt sie dem Secretario noch zu.
"Schlange", murmelt dieser leise vor sich hin.

***

Aldare betritt den Korridor. Comto Ravendoza wartet dort schon vor dem Adlerkabinett der Kaiserin.
"Kaiserliche Hoheit", Comto Ravendoza bemerkt die Cron-Prinzessin, kniet vor ihr nieder und nimmt ihre Hand, um sie sanft zu küssen.
"Ravendoza. Es ist schön Euch wiederzusehen. Hier in Vinsalt. Wenngleich sich mir nicht erschließen kann, wieso wir getrennte Reiserouten hatten, Comto?"
"Verzeiht, Kaiserliche Hoheit, doch obwohl ich den Herrn der Meere ehre und achte," Comto Ravendoza lächelt, "vertraue ich seinen Dienern doch keineswegs."
"Ihr werdet seekrank, Comto?"
"Kaiserliche Hoheit bestechen nicht nur durch Ihre Schönheit, sondern ganz besonders durch ihren Geist."
"So soll es sein - bei einer Hohen Lehrmeisterin."
"Und auch bei einer Cron-Prinzessin."
Noch bevor Aldare von Vinsalt antworten kann, öffnet sich die Tür zum Adlerkabinett und eine zierliche Frau tritt heraus. "Die Kaiserin läßt nun bitten."
"Danke, Rondria." Die Cron-Prinzessin betritt den Raum.

***

Das Adlerkabinett ist ein riesiger Raum. Zwei vergoldete Säulen tragen einen Rundbogen auf dem die Wappen des Reiches und der Dynastie Firdayon prunken. Die Wände sind mit edlen Hölzern vertäfelt, mit brokatenen Stoffen verhängt und Gemälde und Wandteppiche schmücken die Wände. Ein einer Wand hängt das Portrait Prinzgemahl Sirlans in voller Lebensgröße. Der Boden ist mit rot, schwarz und weiß geäderten Marmorplatten ausgelegt. Beherrscht wird der Raum von dem mächtigen Adlertisch, an dessen Seiten sich die Schwingen des Horasadlers schließen. Auf dem Tisch: Feines Büttenpapier, ein goldenes Tintenfäßchen, ein Pergamentbeschwerer in Form nicht unähnlich dem Reichsapfel und sonstige Schreibutensilien. Hinter dem Tisch, auf einen hohen reichverzierten Lehnstuhl sitzt die Kaiserin. Gewandet in ein grünes wallendes Gewand, mit Drôler Spitze besetzt. Ein feiner Kragen schließt sich hochgeschlossen um den Hals der Horas. Um die Kaiserin herum stehen zwei ihrer Hofdamen. Amene-Horas winkt ihre Tochter zu sich heran, während Comto Ravendoza immer noch kniet.
"Euer Kaiserliche Majestät", Aldare küßt die ausgestreckte Hand ihrer Mutter und kniet vor dem Tisch nieder.
"Steht auf meine Tochter", die Kaiserin wirkt genervt, "Euch wende ich mich gleich zu." Und zu Ravendoza gewandt: "Steht auf Comto-Siegelbewahrer und tretet vor."
Ravendoza tritt vor.
"Sagt, Comto-Siegelbewahrer", Ravendoza zuckt merklich zusammen, bei der Art, wie die Kaiserin seinen Titel ausspricht, "Was ist eigentlich Seine Aufgabe?"
"Euer Kaiserliche Majestät?" Ratlos blickt der Comto zur Cron-Prinzessin, die sich ihm jedoch abwendet.
"Er weiß genau, was ich meine."
"Es ist meine Pflicht das geheime Cron-Siegel des Reiches aufzubewahren und für seine Sicherheit zu sorgen."
"Gut. Doch sagt, warum tut Er dieses nicht?"
"Euer...Kaiserliche Majestät?"
"Er wiederholt sich! Doch bevor er noch gänzlich seine Sprache verliert laßt Ihm sagen, dass Wir es nicht mögen von Dritter Seite über den Verbleib Unseres Cron-Siegels zu hören. Schon gar nicht durch die Agenten meines Sohnes. Es wird nicht wieder vorkommen. Hat Er mich da verstanden?"
"Ja, Kaiserliche Majestät", kommt es stockend aus Ravendoza heraus, "Aber..."
"Er mag nun gehen."
"Ja, Gebieterin." Mit einer tiefen Verbeugung schleicht der Comto-Siegelbewahrer aus dem Raum.
"Nun möchte ich ungestört mit der Cron-Prinzessin des Reiches reden." Die beiden Hofdamen rauschen mit ihren weiten Hofgewändern ans andere Ende des Amtszimmers.
"Ich hoffe, Ihr habt Eure Schlangen nicht dabei?"
"Verzeiht, Mutter, aber ich hatte noch keine Zeit sie abzulegen. Ich werde aber..."
"Comtessa Elsdana," die hagere Frau eilt herbei, "würdet Ihr bitte die Schoßtiere der Cron-Prinzessin an Euch nehmen?" Aldare hält ihr die Schlangen hin.
"Aber, Euer Kaiserliche Majestät..."
"Es sind Smaragdnattern, Comtessa", lächelt Aldare die Hofdame an, "sie beißen nicht und sind auch nicht giftig." Mit langen Fingern und mit sichtbarem Ekel nimmt Comtessa Elsdana die beiden Tiere an sich und trägt sie zu einem Tischchen, wo sie sie in eine Obstschale fallen läßt.
"Gibt es noch andere Dinge, die eine ungestörte Unterredung mit Eurer Mutter verhindern könnten." Die Kaiserin scheint heute wahrlich nicht bester Laune zu sein.
"Nein, Mutter."
"Gut, dann berichtet mir von der Audienz bei Shafir."
Die Prinzessin erzählt alles so, wie es sich zugetragen hatte (Alle die, die Shafirs Schwur noch nicht gespielt oder gelesen haben, haben an dieser Stelle nun ein Handicap.), ließ jedoch eine ganz gewisse Stelle wohlweislich aus: "...nachdem Shafir dann den untoten Leib des Wurms von Chababien besiegt hatte, nahm er sich des Aarensteins an. Die beiden Siegel-Gemmen werden nun auf ewiglich in seinem Horte lagern."
"Was hat er diesmal verlangt?"
"Nun, ob der Gefahr, die der Stein in sich birgt, wollte er diesmal einen ganz besonderen Preis..."
"Einen besonderen Preis", die Kaiserin blickt verwundert ihre Tochter an, "was mag für einen Kaiserdrachen ‘besonders’ sein?"
"Ähm, es ist so...", druckst die Cron-Prinzessin.
"Ist es so schlimm, meine Tochter? Nun sprecht! Ich weiß nicht was schlimmer ist, die Glut der Neugierde oder der Schmerz der Wahrheit!"
"Ihr könnt Euch doch sicherlich daran erinnern, dass Ihr immer wieder mich drängtet zu... nun..."
"Wozu?"
"Zu einer Heirat."
"Und? Was hat Eure Heirat mit dem besonderen Preis Shafi... Ihr meint doch nicht etwa...Ihr habt doch nicht?"
"Doch", bricht es plötzlich aus Aldare heraus, "Shafir verlangte meine Hand für die Obhut über den Stein."
"Und Ihr habt tatsächlich zugestimmt? Ihr seid nun mit diesem...diesem...Drachen verheiratet?" Die Kaiserin ringt nach Luft.
"Ja, Mutter."
"Bei allen ZWÖlfen! Womit habe ich das verdie..." Die Kaiserin bricht zusammen.

***

"Mutter!" Aldare stützt behende die fallende Kaiserin. Die Hofdamen kommen eilends herbeigeeilt, Riechsalzfläschchen und Tüchlein schon in der Hand. "Euer Kaiserliche Majestät", zaghaft tätschelt eine Hofdame die Wange der Kaiserin.
"Ich hole jetzt denn Herrn Obersthofmedicus!"
"Nein! Seht doch, sie kommt wieder zu sich." Und in der Tat erwacht die Kaiserin luftschnappend aus der Ohnmacht. "Nehmt Eure Finger weg! Mir geht es wieder gut. Schert Euch weg." Mit wilden Handbewegungen scheucht Amene-Horas ihre Hofdamen zurück.
"Geht es Euch wirklich gut, Mutter?"
"Nein, sicher nicht! Es sei denn Ihr sagtet mir, ich hätte vor wenigen Minuten einen Tagtraum, oder besser einen Tagalptraum gehabt!?"
"Ich befürchte nicht, Mutter!"
"Aldare, Kind, was ist bei allen Göttern in Euch gefahren dem zuzustimmen?"
"Ich hatte keine Wahl!"
Die Kaiserin faßt sich vors Gesicht. "Keine Wahl... habt Ihr eigentlich mal darüber nachgedacht, wie Ihr die Dynastie sichern wollt? Ich hatte mich ja schon damit abgefunden, dass es wohl keine Liebeshochzeit geben wird, aber dieses hier übertrifft ja noch meine schlimmsten Vorahnungen. Nun, was ist nun mit der Dynastie?"
"Timor..."
"Timor!!" Die Kaiserin springt auf. Ebenso ihre Hofdamen, die besorgt herüberblicken. "Hat Euch nun auch noch Eure Göttin verlassen?" Amene-Horas läßt sich zurück in ihren Stuhl fallen.
"Mutter, Ihr seid auf einmal ganz bleich!"
"Ein Fluch, es muß ein Fluch sein...Verschwindet! Raus! Laßt mich alle einen Augenblick allein. Ich gebrauche Stille!" Mit fahrigen Bewegungen winkt die Kaiserin hinter ihrer Tochter und den Hofdamen her, die sich rücklings verbeugend aus dem Raum entfernen. Doch das sieht die Kaiserin alles nicht mehr: "Erst Jaltek, dann Salkya, nun Aldare. Nur noch Timor. Timor..."