Archiv:Kommentar zum Horasio-Prozess (BB 40)

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Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 40, Seite 38 Schildwacht.png Datiert auf: Anfang Boron 1037 BF


Kommentar zum Prozess gegen Horasio della Pena

Ein Gastbeitrag von Baron Nicolo Faellan di Onerdi

O
berfels/Parsek. Einige Tage ist es her, das zu Oberfels das Todesurteil gegen den Signore Horasio gesprochen wurde, Begründer des jüngeren Hauses der della Pena und Usurpator des Grafenstuhls von Bomed. Da ich selbst Gelegenheit hatte, der Verhandlung beizuwohnen, möchte ich gern meine Sicht auf diese schildern. Und dort war Licht, aber doch auch Schatten zu finden.

Groß war das Interesse an diesem Prozess, wenig verwunderlich, dass der Saal bis auf den letzten Platz besetzt war mit angesehenen Signori, gar Comti, aus der Grafschaft und von weither. Dem schien der Gerichtsdiener nicht immer gewachsen zu sein – hatte man gar das Interesse unterschätzt? Durchaus groß war auch die Zahl der Unterstützer des della Pena, die manches Mal für Aufruhr im Gericht sorgten. Unter diesen recht widrigen Bedingungen führte Comto Erlan Sirensteen den Prozess sehr akkurat und zielorientiert. Daneben ist positiv die umfangreiche Anklage hervorzuheben, und insgesamt der tadellose und durch nichts zu erschütternde Auftritt des Cerdon aus Veliris. Es war zweifelsohne richtig, neben großen auch weniger schwere Verfehlungen zur Sprache zu bringen, auf dass ein jeder sich ein Bild vom ehrlosen Betragen des Angeklagten machen konnte. Eine weitere lobenswerte Entscheidung war es, dem Angeklagten so kurzfristig die Bestellung eines neuen Verteidigers zu erlauben. Am wichtigsten und auch wirkmächtigsten war jedoch die Entscheidung des Schöffen Amaldo di Piastinza, aufgrund der gegen ihn vorgebrachten Anschuldigung der Befangenheit, vom Amte zurückzutreten. Hier mag man erkennen, dass das Gericht nicht die Augen verschloss vor den Problemen dieses sehr speziellen Prozesses.
Dennoch ist auch Kritik angebracht. Auch wenn Ehrwürden Auricanius, der Verteidiger, sicher einige ganz und gar unvertretbare Ansichten vorgebracht hatte, so mutete es doch etwas seltsam an, ihm nur je eine Frage zu gewähren. Schlimmer aber wiegt, dass sich Zweifel an der Objektivität des Richter selbst kaum werden ausräumen lassen. Die Befähigung steht außer Zweifel, doch drängt sich die Frage auf, ob es in der ganzen Grafschaft Bomed denn keinen Richter gab, außer eben dem hochverehrten Comto Sirensteen. Als bekannter Gegner des Angeklagten und nicht zuletzt auch als Geschädigter mancher Tat wird so bei vielen der Eindruck entstanden sein, das Urteil habe bereits festgestanden, so richtig es auch in der Sache war.

Richter Erlan Sirensteen
So bleibt ein fader Beigeschmack, denn allzu leicht wäre es gewesen, einen wahrhaft guten Prozess zu führen. Stattdessen hat sich das Gericht angreifbar gemacht, wo dies nicht einmal nötig war. Und derartige Prozessführung scheint bereits Nachahmer zu finden: In der Nähe von Shenilo, so hört man, habe ein Friedensrichter einen Cavalliere in absentia für etwas verurteilt, das im Gerichtsbezirk der Stadt Shenilo selbst sich ereignet hatte und dessen angebliches Opfer besagter Richter selbst war. Mag es auch nicht vergleichbar sein in Anlass und Auswirkungen, so ist doch unverkennbar, dass missachtete Formalia eine verheerende Vorbildwirkung für andere Richter haben können.

Im Ergebnis kann dennoch sagen, dass Praios’ Gerechtigkeit gesiegt hat. Einer der größten Feinde von Recht und Ordnung im Yaquirbruch ist tot, ein alter Galahanist zudem, und endlich seiner gerechten Strafe zugeführt. Kaum jemand wird bezweifeln, dass das Ergebnis des Prozesses korrekt war. Möge Boron dem Signore Horasio della Pena die Gnade gewähren, die er vor Gericht zu Recht nicht bekam, möge seine dunkle Seele Frieden finden, wie es nun also auch der armen Gräfin Alwene schließlich vergönnt war.

E
in Wort noch zum zu erwartenden Fortgang des Prozesses: Ehrwürden Auricanius hat angekündigt, vor den Kassationshof zu ziehen, um das Urteil anzugreifen. Da eine derartige Maßnahme nicht die Vollstreckung des Urteils der ersten Instanz hindert, konnte sie Signore Horasio nicht vor dem Tode bewahren. Überlegenswert scheint, der Berufung ein Suspensiveffekt beizugegeben, der die Vollstreckung bis zur Entscheidung der Assessoren verhindert. Man mag sich gar nicht den Fall ausmalen, in dem ein falsches Urteil mit ebenso drastischen Konsequenzen wie hier zu unrecht in die Tat umgesetzt würde; die Zwölfe mögen dies verhüten. Es steht zu hoffen, dass der Kronkonvent in naher Zukunft über entsprechende Gesetzesvorschläge befindet.

di Onerdi