Archiv:Das Massaker von Vlapacho (BB 24)

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Auge-grau.png Quelle: Bosparanisches Blatt Nr. 24, Seite 4
Aventurisches Datum: Boron 1026 BF



Das Massaker von Vlapacho

Ein Augenzeugenbericht

von Shafirio ay Ankhraio in den ersten Tagen des Heidensturms aufgezeichnet


Ingrimo Gaudioso, Schmied aus Vlapacho

»In Vlapacho herrschte blankes Entsetzen, als die Botenreiterin uns die Nachricht vom heranstürmenden Novadiheer überbrachte. Die alte Palisade um den Ort war an einigen Stellen längst eingefallen und nicht mehr ausgebessert worden – die Novaditrutz schien in den letzten Jahren ja auch ein verlässlicher Schild zu sein – und so vermochte nichts die Rastullahanbeter vom Eindringen in die kleine Stadt abzuhalten. Einige derjenigen, die Pferde besaßen, kramten da nur noch schnell einige Wertsachen zusammen und flüchteten alsbald Richtung Wobran, zumeist noch rechtzeitig vor dem Eintreffen der Novadis. Ich gestehe, auch ich habe mir zu diesem Zeitpunkt nichts sehnlicher als meine alte Yasmina zurückgewünscht, auf der ich damals bei den Chababer Grenzreitern diente. Stattdessen war ich dazu verdammt in meiner Schmiede auszuharren und den Überfall der Novadis irgendwie zu überstehen.

Das Beben der donnernden Pferdehufe war das erste unmittelbare Anzeichen der sich nähernden Horde. Obwohl die Reiter zunächst noch von einer großen Staubwolke eingehüllt waren, ließ sich doch erkennen, dass es hunderte sein mussten. Und voran wehten ihnen die großen dunkelroten Fahnen, die ich schon in meinen Gefechten am Chabab gesehen hatte – angeblich tränkten sie diese vor ihren Raubzügen im eigenen Blute.

Durch die Löcher in den Palisaden strömten sie dann wie die Insekten in Vlapacho ein, kein Mensch war zu diesem Zeitpunkt mehr auf den Straßen. Auch ich hatte mich in meine Schmiede zurückgezogen, fest entschlossen zumindest mein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Von den Geschehnissen draußen bekam ich zunächst nur die Geräusche mit, so knisterten bald überall große Flammenherde, und in das Kriegsgeschrei der Angreifer und das Schnauben ihrer Pferde mischten sich immer wieder die Todesschreie meiner vor den Flammen in die Khunchomer der Novadis laufenden Nachbarn. Das ging bereits eine ganze Zeit so, aber vielleicht kam mir das auch nur so vor, als ich dann doch irgendwann einen Blick aus dem Fenster tat. Meine Schmiede liegt ja ganz im Westen und war wohl deswegen noch nicht ins Augenmerk der Angreifer gerückt.

Draußen aber spielten sich fürchterliche Szenen ab. Die halbe Ortschaft stand bereits in Flammen und immer wieder drangen Abgesessene in die noch nicht brennenden Häuser ein, wohl um sich einige Habseligkeiten unter den Nagel zu reißen. Dazwischen aber ritt auf einem nachtschwarzen Hengst der Anführer, ein älterer, von Narben verunzierter Novadi, in dessen Bart sich bereits weiße Strähnen mischten. Auf dem Kopf trug er einen turbanumwickelten Tulamidenhelm und auch seine sonstige Rüstung schien – obgleich ebenso dreckverschmiert – der der anderen Reiter weit überlegen. Auf jeden Fall brüllte er die anderen Krieger immer wieder an, was mir auch im Gedächtnis blieb. »Yallah, achmedun, yallah! Châhna maksur châhil! Yallah, balaian!« waren, soweit ich mich erinnern kann, seine Worte (Anm. der Red.: Die novadischen Worte wurden an dieser Stelle sinngemäß ergänzt und könnten im zivilisierten Horathi etwa folgende Bedeutung haben: »Vorwärts, Rächer/Krieger/Streiter, vorwärts! Wir werden (es) später zerstören! Vorwärts, Männer im Krieg!«).

Gerade rechtzeitig erkannte ich dann noch den Novadikrieger, der von seinem Pferd aus nun auch auf mein Haus eine Fackel werfen wollte. Der Kerl befand sich keine fünf Schritt von der Schmiede entfernt und hatte sonst keine weiteren Reiter in der Nähe, so dass ich mich entschloss jetzt meine Gelegenheit zur Flucht zu nutzen oder dabei zu sterben. Ich riss also die schwere Tür auf und rannte mit dem schweren Schmiedehammer in der Faust auf den überraschten Feind zu. Noch bevor der seine Fackel auf mein Dach schmeissen konnte, sprengte mein Hammer ihm das bärtige und mit Kriegsbemalung versehene Gesicht. Keinen Augenblick später lag er am Boden und ich saß auf seinem Pferd, das zwar zunächst kurz bockte, meinen Reitkünsten dann aber keinen Widerstand mehr leistete.

Durch eine der Lücken in den Palisaden preschte ich daraufhin unter den Flüchen der mir Pfeile hinterherschießenden Novadis davon und tatsächlich erreichte ich Wobran noch vor dem ersten Novadikrieger. Weniger Glück scheint dagegen der dicke Bäcker Alvario gehabt zu haben, den ich auf seiner Klappermähre einige Stunden später überholte. Er war als einer der ersten aus Vlapacho geflohen, hat Wobran aber nie erreicht, wohl auch weil er seinem Gaul in seiner Gier zuviele Silberlinge aufgeladen hatte ...«

Armin Bundt